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galerie- und ateliereröffnung / thomas westermann am 12.11.2022 / text von eva filter
thomas westermann begegnete mir in den 90ern in düsseldorf an der fh im studiengang innenarchitektur. er begegnete mir im entwurf, in farbe und struktur, aber vor allem in den veranstaltungen des zeichnens und malens – auf zeichenexkursionen, in den ausstellungen der dienstags-malgruppe von eberhard schweigert, einem kollegen und guten freund. mit schweigert zusammen malte ich sonntags abends bei hans günter hofmann, einem architekten + hochschullehrer. während schweigert, der maler + künstler, ein beuys- und richter- schüler alle regeln infrage stellte, war hofmann der exakte perspektivische zeichner – zwei sehr konträre aber ebenbürtige zeichenlehrer. wir hatten gleiche lehrer, freunde, mitzeichner und lachten über die gleichen episoden. das aktzeichnen mittwochs wie sonntags forderte das schnelle spontane skizzieren in 5 minuten stellungen, sensibilisierte dann aber auch für menschliche proportionen im gebauten raum.
im broterwerb arbeitet t.w. schon damals im studium als schreiner, möbelmacher, innenausbauer und innenarchitekt. beim zeichnen + malen hat er den anspruch – spontan, ehrlich + zügig schnell - alles mit in sein werk hineinzunehmen, was er gerade sieht. es gibt keine vorzeichnung, keine korrektur – wenn er ein motiv umsetzt in aquarell, gouache, tusche + filzstift. er selbst beschreibt es so: das schnelle skizzieren mündet in einem ergebnis, das eine mischung aus herz, kopf + seele ist. zunächst ist da die aktmalerei - sogar laufende akte in bewegung mit abstrahierter gestik, dann – entstehen reiseskizzen und situationen, die fremde momente und begegnungen festhalten. t. w. äußert sich malerisch, indem er situationen und erfahrungen dokumentiert – er teilt sich mit + macht einen ungelebten teil seines wesens sichtbar. sehen + sofort umsetzen, ohne umschweife – das ist ein kostbarer vorsatz – mit wenig mitteln ein feeling visualisieren. „nicht, was ich mache, sondern wie – ist wichtig.“ sagt er selbst. welche Idee steckt in der skizze, wenn sie vom moment inspiriert ist ? – wenn ein Augenblick festgehalten wird ? thomas sagt: „malen ist einfach nur malen!“ – darin klingt selbstvergessenheit und sehnsucht mit; - wenn er so realisiert, dass er sich selbst am meisten wiederfindet. alles entsteht direkt vor ort! nichts wird im nachhinein gemalt!
im april 1919 schreibt walter gropius in seinem manifest zum weimarer bauhaus: „es gibt keinen wesensunterschied zwischen dem künstler und dem handwerker. das werkmäßige ist grundlage und unerlässlich für jeden künstler. dort – im handwerk – ist der urquell des schöpferischen gestaltens: das starre vermeiden und das schöpferische bevorzugen –in aller freiheit der individualität.“ zitatende. das wurde programm des gropius´schen so erfolgreichen denkens und lebens am bauhaus.
genau das lebt t. w. , wenn er jetzt hier ein atelier und eine galerie eröffnet. es ist der rahmen für den wunsch nach dem spielerischen, dem leichten – ein losgelöstes + leidenschaftliches tun. äußerlich gibt es nicht die notwendigkeit dafür- aber das innere bedürfnis ist da. die stetige haltung, die uns umgibt, heißt: der Mensch ist das, was er leistet, was seine arbeitskraft an nützlichem hervorbringt und das , was er sich dann dafür leisten kann. hier im atelier werden improvisation und authentizität gelebt werden. das „auf der suche sein“ wird ausprobiert werden. 2/3 atelier und 1/3 galerie – und die rahmen sind natürlich
selbstgebaut. das zeichnen und malen hat schon immer das handwerkliche stimuliert – jetzt entsteht in unbändiger freude neues – und das wird kultiviert und auch gezeigt! trotz starker bodenhaftung im handwerk – hier ist thomas visionär!
der italienische künstler michelangelo pisoletto, ein moderner aktionskünstler, sagt: „ um auch nur ein gramm realität zu schaffen, benötigt man ungefähr 1 kilo utopie.“ von ihr kann es nie genug geben. haben Sie manchmal als kinder im gras gelegen und den wolken zugesehen? - pferdewagen gesehen und frau holle entdeckt? + beobachtet, wie daraus langsam ein kaninchen wurde? dieser blick ist phantasievoll geweitet und er ist unbefangen. man verlässt die eingefahrenen sehgewohnheiten, positionen und standpunkte! das alltägliche verliert seine wichtigkeit und es entsteht raum für den entdeckenden blick - für die unbefangenheit des kindlichen blicks. das spontane erleben beinhaltet hinsehen, zuhören und mitempfinden. die so dokumentierten menschen und situationen geben uns als betrachter die möglichkeit zur kommunikation, eben weil sie visuell erlebbar sind. wenn innere bewegtheit und ergriffenheit offenkundig werden, dann können sie den bildern vertrauensvoll begegnen: hier geht es um nähe, nicht um distanz.
der kieler philosoph hermann schmitz differenziert zwischen körper und leib: körper ist das, was man von sich selbst tastet: in der sinneswahrnehmung, dem richtungssystem des körpers (oben, unten, vorn + hinten), dem bewegungssystem (vorwärts gehen). leib ist das, was man von sich selbst spürt: gefühle, erinnerungen, erfahrungen, wünsche, visionen, träume…. der zeitgeist diktiert spartanische, reduzierte welten - wie konzentrate + je besser wir unser umfeld strukturiert haben, umso mehr wird unser dasein zu einem rezeptiven.
die skizzen von t. w. suchen nach dem intuitiven wesen der dinge, ein ahnendes erfassen, - die kenntnisse, die nicht kontrolliertem denken entspringen, sondern schauen + empfinden. es sind momentaufnahmen - direkt, impulsiv + lustvoll. diesem tun haftet etwas vages an: bildoberflächen existieren in der wahrnehmung temporär: mal sehen wir die farbflächen, mal die lineare zeichnung, mal das verwobene beider ebenen. visualisierte empfindungen des moments fordern den betrachter auf, eine „andere brille“ aufzusetzen.
der berliner künstler thomas lange, den ich im italienischen umbrien traf, erklärte mir sein malerisches tun so: „ich bin und weil es außerhalb meiner vorstellungskraft liegt, das zu begreifen, brauche ich ein bild - welches meine unfähigkeit, das eigene denken zu erfassen - mit dem der anderen verbindet.“ die bildersprache der seele ist eben andersartig als unsere vereinbarte verbale sprache.
der amerikanische schriftsteller henry thoreau sagte: „mein verlangen, mit dem kopf in atmosphären einzutauchen, die meinen füssen fremd sind, besteht permanent.“ in seinem buch „walden - leben in den wäldern“ (von massachusetts) beschreibt er das leben im einklang mit der wildnis, das wildeste sei zugleich das lebendigste und führe zu ursprünglichen, natürlichen sichtweisen, die mir in der heutigen digitalen welt unerlässlich erscheinen. ihnen wünsche ich diese entdeckerfreude für die hier gezeigten bilder. für diesen ort wünsche ich mir einen raum der möglichkeiten für all die begegnungen + tätigkeiten, die sich t.w. hier vorstellt: zwischen bild und betrachter + zwischen mensch und mensch. dir, thomas, wünsche ich gelingen zu einem risikoreichen mutigen schritt.
prof. eva filter
öffnungszeiten
freitags 15-17 uhr
samstags 11-15 uhr und nach vereinbarung
adresse
indigo3 / thomas westermann
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46 535 dinslaken
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